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Geschäftsmodelle mit Zukunft

Geschäftsmodelle mit Zukunft Posted on 16. September 2021

Zur Erreichung der Ziele der Energiewende hat der Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen höchste Priorität. In Baden-Württemberg stehen insbesondere die Nutzung der Sonnen- und Windenergie im Mittelpunkt. In ländlichen Regionen hat auch der Strom aus Biogasanlagen eine gewisse Bedeutung. Um notwendige Änderungen in den Geschäftsmodellen der Bürgerenergie-Genossenschaften zu beleuchten, wird an der Hochschule Aalen ein vom Land Baden-Württemberg gefördertes innovatives Forschungsprojekt bearbeitet. Den aktuellen Stand stellten die Projektmitarbeiter:innen unter Federführung von Prof. Dr. Anna Nagl heute im Rahmen eines Pressegesprächs mit Roderich Kiesewetter (MdB) vor.

Mit Inkrafttreten des EEG (kurz: Erneuerbare-Energien-Gesetz) wurden zahlreiche Bürgerenergie-Genossenschaften gegründet, um über eine strukturierte Bürgerbeteiligung die Energiewende einzuleiten. Mittels der Bürgerenergie-Genossenschaften konnten sich breite Bevölkerungsschichten an EE-Anlagen (Erneuerbare-Energien-Anlagen) und damit an dieser zukunftsorientierten Stromerzeugung beteiligen. Im Wesentlichen ging es dabei um die nach den Bestimmungen des EEG geförderte Einspeisung von Solarstrom und Wind- bzw. Strom aus Biogasanlagen ins öffentliche Stromnetz. Das EEG geht zwar bis ins Jahr 1991 zurück, wurde aber im Jahr 2000 auf die heutige Fördersystematik „umgestellt“. Die Förderung des ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Stroms erfolgt mittels einer garantierten Einspeisevergütung, die in Abhängigkeit vom Jahr der Inbetriebnahme der Anlage für 20 Jahre Bestand hatte. Alle zu Beginn des Jahres 2000 bereits bestehenden Anlagen wurden als „quasi Neuanlagen“ in die 20-Jahresförderung mit einbezogen.

Nunmehr endete mit Beginn des Jahres 2021 für die ersten EE-Anlagen der 20-jährige Förderzeitraum. Damit entfällt auch für die Bürgerenergie-Genossenschaften die garantierte Einspeisevergütung, wodurch das Geschäftsmodell vieler Bürgerenergie-Genossenschaften ins Wanken gerät. Um dem entgegenzuwirken, fördert das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Baden-Württemberg das hochschulübergreifende „Innovative Kooperationsprojekt BürgerEnergieWende“, bei dem es um die „Entwicklung von ökologisch und ökonomisch belastbaren Geschäftsmodellen für Bürgerenergie-Genossenschaften“ geht. Auf Basis der eingereichten Projektskizzen erhielten das Kompetenzzentrum für innovative Geschäftsmodelle der Hochschule Aalen unter der Leitung von Prof. Dr. Anna Nagl in Kooperation mit dem Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bastian Kaiser, in Kooperation mit der OstalbBürgerEnergie eG (OBE) unter Leitung des Gründers und Vorstandsmitglieds Hans-Peter Weber und der erneuerbare Energien Rottenburg eG (eER) unter der Leitung des Vorstands Klaus-J. Lehmann den Zuschlag. Das Projektteam arbeitet auf Basis der Ausschreibung an dem Forschungsprojektziel „Durch die plattform-basierte Bündelung und Vermarktung des in der Region erzeugten EE-Stroms schaffen wir eine nachhaltige Erfolgssicherung für Bürgerenergie-Genossenschaften und private EE-Unternehmer“.

Um Geschäftsmodelle und Zukunftsplanungen der Bürgerenergie-Genossenschaften in Baden-Württemberg zu erforschen, wurde im Rahmen dieses hochschulübergreifenden „Innovativen Kooperationsprojektes BürgerEnergieWende“ im Frühjahr 2021 eine Vollerhebung bei allen 149 Bürgerenergie-Genossenschaften in Baden-Württemberg durchgeführt. Dazu wurden insbesondere

  • Geschäftsmodelle
  • Leistungsspektren
  • Zukunftsplanungen
  • Strukturdaten der Genossenschaften

der Bürgerenergie-Genossenschaften erhoben. Im Folgenden wird auf wichtige Ergebnisse dieser Umfrage eingegangen.

Hohe Beteiligungsquote

Von den 149 Bürgerenergie-Genossenschaften in Baden-Württemberg haben sich 60 Genossenschaften (40 %) an der Umfrage beteiligt. Dies ist eine erfreulich hohe Beteiligung und zeigt das große Interesse an diesem Thema. Wie wichtig es ist, so wie es in diesem Forschungsprojekt umgesetzt wird, die Bürgerenergie-Genossenschaften bzgl. der inhaltlichen Ausrichtung zu unterstützen, lässt u. a. daraus ableiten, dass 83 % der befragten Genossenschaften die Einspeisung von Strom nach dem EEG als Basis für ihr aktuelles Geschäftsmodell betrachten. Zwar bietet ca. die Hälfte der teilnehmenden Bürgerenergie-Genossenschaften ihren Mitgliedern noch weitere Leistungen an, diese sind aber nur in 17 % der Fälle eine wichtige Basis des jeweiligen Geschäftsmodells.

Der Wegfall der Förderung für die Altanlagen und die sich aus der Novelle des EEG 2021 ergebenden Folgeregelungen beeinträchtigen das Geschäftsmodell der meisten Bürgerenergie-Genossenschaften beachtlich. So erwarten 85 % der Teilnehmer sehr große bis mittlere Herausforderungen für ihre Genossenschaft. Lediglich 15 % sehen darin eher keine bis geringe Auswirkungen. Eine weitere Herausforderung werden in der durch die ehrenamtliche Führung der Genossenschaften zum Teil fehlenden Professionalisierung (78 %) bzw. der zeitlichen (98 %) und fachlichen (87%) Überforderung der ehrenamtlich Tätigen sowie der enormen Regulatorik (97 %) gesehen. Zukunftschancen werden u. a. im Aufbau und Betrieb von Ladesäulen für die E-Mobilität, von Fernwärmenetzen sowie der Beteiligung an Freiflächen-PV-Anlagen und Windkraftanlagen gesehen. Vereinzelt können sich Bürgerenergie-Genossenschaften sogar den Einstieg in Mieterstrom- und Contractingprojekte vorstellen.

Elemente eines nachhaltigen Geschäftsmodells

Hier werden insbesondere der Einstieg in den Stromhandel und die Direktvermarktung gesehen (ca. 80 %). Hierbei gilt es nach Meinung von annähernd 60 % der Befragungsteilnehmer Anlagenbetreiber, Stromverbraucher zusammenzuführen und die Zusammenarbeit mit Kommunen, anderen Bürgerenergie-Genossenschaften, Stadtwerken und regionalen Energieunternehmen auf Basis digitaler Plattformen zu stärken. Besonders deutlich werden die für notwendig erachteten Veränderungen bzw. Ergänzungen am eigenen Geschäftsmodell. So sehen annähernd zwei Drittel der Genossenschaften beachtlichen Veränderungsbedarf, wobei Fusionen mehrheitlich als nicht zielführend angesehen werden. Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen sympathisieren 60 % mit einer Solardachpflicht auf Wohn- und Firmengebäuden. Eine überragende Bedeutung (100 %) wird dem weiteren Betrieb der Ü-20-Anlagen beigemessen. Die Akzeptanz von neuen, auch digitalen Mehrwertleistungen seitens der Mitglieder wird von den Befragten eher zurückhaltend beurteilt (20 % hoch und 30 % mittel – der Rest ist eher ablehnend). Aber es ist anzumerken, dass auch hier gilt, dass am Ende der „Wurm dem Fisch und nicht dem Angler schmecken muss“!

Die Mitglieder haben großes Interesse an ihrer Genossenschaft

25 % der Mitglieder nehmen im Durchschnitt an der jährlichen Generalversammlung teil. Darüber hinaus erkundigen sich die Mitglieder auch gerne direkt bei ihrer Genossenschaft. Auch seitens der Genossenschaften werden die Mitglieder offensiv durch E-Mails, Rundbriefe und über Veranstaltungen informiert – dies vor allem bei den viertel-, halb- und jährlichen Informationen.

Dominante Geschäftsfelder sind PV- und Windenergie

Die hervorzuhebenden Geschäftsfelder, in denen die Bürgerenergie-Genossenschaften in Baden-Württemberg tätig sind, sind PV- und Windenergie. Die Anlagen haben meist noch eine längere Förderzeit vor sich. Im Jahr 2020 fallen nur wenige Anlagen mit geringer Leistung aus der EEG-Förderung. Ab 2028 steigt dann die Anzahl der vom Auslaufen der EEG-Förderung betroffenen Anlagen stark an und damit auch die Leistung ausgeförderten Anlagen.

Grundsätzlich zeigt auch die Umfrage, dass sich die Bürgerenergie-Genossenschaften zwingend intensiv um ihre Geschäftsmodelle kümmern müssen. Die einfache Einspeisung von EE-Strom gegen Einspeisevergütung für sich allein ist kein Geschäftsmodell mit Zukunft. Kiesewetter zeigte sich in seinem Schlussstatement sehr beeindruckt, mit welchen Ideen und Ansätzen die Weiterentwicklung der genossenschaftlichen Geschäftsmodelle vorangebracht werden kann. Nach seinen Worten ist es zwingend notwendig, zum Gelingen der Energiewende die Menschen vor Ort einzubinden und dies kann kaum besser als in Form der Einbindung von Energiegenossenschaften erfolgen. Er zeigte sich überzeugt davon, dass der im Rahmen des Forschungsprojektes aufgezeigte Weg sinnvoll und zielführend ist. Er sagte zu, die Arbeit des Projektteams auch künftig nach Kräften zu unterstützen.

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