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MiFID II in Kraft getreten – aber auch schon erfolgreich umgesetzt?

MiFID II in Kraft getreten – aber auch schon erfolgreich umgesetzt? Posted on 19. Oktober 2018

Die MiFID II hat die Bankenwelt erreicht und gehörig auf den Kopf gestellt. Nicht nur die Banken selbst, sondern auch die Kunden empfinden eine erhebliche Überregulierung und zu wenig Augenmaß bei regulatorischen Vorgaben.

Zum 03.01.2018 ist die delegierte Verordnung 2004/36/EG (Markets in Financial Instruments Directive – MIFID II) in Kraft getreten1, bekannt ist diese unter den Namen MiFID II. Inkludiert zu der vorgenannten Verordnung hat das Europäische Parlament zusätzlich die PRIIPS Verordnung beschlossen.  Doch welche Ziele verfolgen ESMA und EU mit diesen Verordnungen?

Was sind Ziele und Themengebiete der neuen Verordnung?

Klares Ziel der beschlossenen Verordnungen ist der Schutz der Anleger beim Handel mit Finanzinstrumenten sowie erhöhte Transparenz bzw. Informationspflichten. Dabei wird nicht nur auf Kleinanleger abgezielt, sondern auch auf Professionelle Kunden und Geeignete Gegenparteien. Die einzelnen Kreditinstitute standen vor verschiedenen Problemstellungen:

  • Zu einer erweiterten Kostentransparenz verhelfen die Einführungen zweier Kostenausweise, sowie für bestimmte Produkte die Umstellung der Produktinformationsblätter (PIBs) auf sogenannte KIDs (Key Informations Documents). Vor jedem Geschäftsabschluss eines Handels mit Finanzinstrumenten ist dem Kunden ein ex-ante Kostenausweis mit zum Handelszeitpunkt bestmöglicher Kostenschätzung offen zu legen. Darüber hinaus erhält dieser jährlich eine Übersicht aller im vergangenen Handelsjahr angefallenen Kosten, die mit dem Handel von Finanzinstrumenten zusammenhängen (ex-post Kostenausweis). Die neuen KID´s ergeben eine weitaus detaillierte Sicht auf die Chancen und Risiken eines verpackten Anlageprodukts. Desweiteren müssen auch drei prognostizierte Renditeszenarien ausgewiesen werden.2
  • Kreditinstitute müssen gemäß der neuen Verordnungen einen an viele Regeln und Verpflichtungen gekoppelten Produktgenehmigungsprozess im Haus implementieren. So ist beispielsweise für jedes Finanzinstrument ein produktspezifischer Zielmarkt zu definieren und vor Kauf eines Anlageproduktes mit den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden abzugleichen.3 Selbige müssen zukünftig deutlich detaillierter als bisher erfragt und festgehalten werden. Jährlich hat das sogenannte Gremium zur Produktgenehmigung in jedem Haus über systematische Abweichungen beim Verkauf außerhalb des Zielmarktes informiert zu werden. Dieses hat zu entscheiden, ob der Vertrieb eingestellt werden soll oder der Zielmarkt anderweitig zu definieren ist.
  • Neue Regeln für das Meldewesen sollen zu Transparenz auf und außerhalb von Handelsplätzen führen. Dies soll unter anderem durch folgende neue Meldeverpflichtungen erreicht werden:
  1. Abgeschlossene Geschäfte in derivativen Finanzinstrumenten sowie Wertpapieren sind bis zum Ende des nächsten Tages der BaFin zu melden.
  2. Zukünftig muss bilateral abgeschlossenes Geschäft (OTC) in Echtzeit veröffentlicht werden.

Im Rahmen der Umsetzung dieser Meldungen sind neben den Geschäftsinformationen auch Informationen über die beteiligten Personen und Unternehmen zu melden. Um diese Vorgabe zu erfüllen, muss das Kreditinstitut die Legal Entitity Identifier (LEI) oder eine National ID (NID) einholen.

Vor welche Herausforderungen stellt die Regulatorik die Kreditinstitute in der Europäischen Union?

Die Umsetzung der über 20.000 Seiten und ca. 1,4 Millionen Paragraphen4 starken Regulatorik hat die Banken neben Zeit zur Analyse auch Millionenbeträge gekostet5. So bezifferte der Bundesverband deutscher Banken den Einmalaufwand für die Gesamtumsetzung bereits im Jahr 2017 auf über 1 Mrd. Euro.6 Diese Aufwände werden sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch erhöhen, da nicht einmal 60 % der Banken und Sparkassen die Implementierungen zum jetzigen Zeitpunkt abgeschlossen haben.7  Neben den einmaligen Aufwänden ist zu befürchten, dass auch der jährliche Unterhaltungsaufwand der Handelsabteilungen sowie der IT steigen wird. Dies geht mit dem derzeitigen Marktumfeld und dem damit verbundenen Zwang zur Kostenreduktion konträr.

Nicht nur bei den Aufwandspositionen schlägt sich MiFID II nieder. Durch die stark gestiegene Kostentransparenz können Kunden bereits vor Geschäftsabschluss die Kosten ihrer Transaktion vergleichen. Banken mit höheren Gebühren werden noch stärker als bisher hinter günstigen Banken zurückfallen.

Vor- und Nachteile verschiedener Kundengruppen

Natürlich sind auch die Kunden von der Regulierung betroffen. Von jedem Kreditinstitut, zu dem der Kunde eine Geschäftsbeziehung unterhält, erhält er neben aktualisierten Wertpapierbedingungen ausführliche MiFID II Broschüren mit unter Umständen mehreren hundert Seiten und zusätzlich die bereits erwähnten ex-ante und ex-post Kosteninformationen.

Im Großen und Ganzen bieten MiFID II und PRIIPs Verordnung durch viele separate Ansätze eine höhere Transparenz und mehr Anlegerschutz. Allerdings sollte auch bei aller Regulierung ein gewisses Fingerspitzengefühl nicht vernachlässigt werden.8 Ein gesamtheitliches Konzept für Retail und Wholesale Kunden ist nicht zu erkennen. Die bisher gesammelten Erfahrungen der Kreditinstitute zeigen, dass vor allem Kunden in Form von juristischen Personen im Wholesale Bereich, an den ihnen zugestandenen „Vorzügen“ wenig bis gar nicht interessiert sind. Die Regulatorik verpflichtet beide Parteien dennoch zum Austausch diverser benötigter Dokumente und erhöht den Verwaltungsaufwand und somit auch die Kosten auf beiden Seiten. Die scheinbar auf natürliche Personen und das Retail Geschäft ausgelegte Regulatorik ist zum Teil ohne weitere Überlegung auf das Wholesale Geschäft adaptiert worden. Während es den „einfachen“ Privatkunden interessieren mag, in welcher Höhe Provisionen beim Kauf von Finanzinstrumenten an seinen Vermittler ausgeschüttet werden, möchte der großanlegende Firmenkunde nach Möglichkeit einfach und schnell zum günstigsten Preis kaufen. Er ist in diesem Fall nicht an der Marge des Kreditinstituts interessiert, sondern an dem final zu bezahlenden Preis, welchen er schon vor Regulatorik einfach vergleichen konnte.

Doch wie stellt sich die Bankenbranche die Zukunft mit MiFID II vor? BVR Präsidentin Marija Kolak forderte bei der Vorstellung des Jahresergebnisses 2017 der genossenschaftlichen Finanzgruppe eine unvoreingenommene Evaluierung der MiFID II Regulatorik durch die Europäische Kommission. Dies begründet sich vor allem dadurch, dass die neue Gesetzgebung „bei den aktiveren Kunden vielfach zur Verärgerung“9 führt. Begründungen sind störende Aufzeichnungspflichten und die Verzögerung der Orderprozesse durch zu hohe Transparenzanforderungen.

Es bleibt festzuhalten, dass die MiFID II gute Ansätze bietet, allerdings eine zu geringe Unterscheidung zwischen Retail und Wohlesale Geschäft aufweist. Die hinzugewonnene Transparenz kann für den Privatanleger durchaus vorteilhaft sein – es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern mit der Vielfalt der Informationen umgegangen werden kann. Selbst der Privatanleger kann das Gefühl bekommen, von einer Überregulierung betroffen zu sein. Nur durch eine erneute kritische Überprüfung können die geforderten Verbesserungen geschaffen werden. Insbesondere sollte hierbei das Augenmerk auf der Handelsaktivität des Kontrahenten liegen. Aktive Kunden fühlen sich durch die Regulatorik in ihrer Handelsaktivität gegängelt. Durch die bereits beschriebenen Anforderungen kommt es hierbei zu Orderverzögerungen, welche für aktive Kunden als nicht hinnehmbar zu verzeichnen sind.

Überregulierung der Banken – Wie unser Alltag aussehen würde, wenn MiFID II auch andere Branchen treffen würde

Das Liechtensteiner Volksblatt beispielsweise karrikiert die Regulatorik wie folgt: „Stellen Sie sich vor, Sie möchten gerne ein Brötchen kaufen und gehen zum Bäcker in Vaduz, Schaan oder Triesen. Sie sind unsicher ob es ein Roggen- oder Vollkornbrot sein soll. Der Bäcker fragt Sie erst einmal, welchen Beruf und welche Ausbildung Sie haben, ob Sie überhaupt schon mal ein Brot gekauft haben und wenn ja, welcher Art. Er wird Sie zuerst einmal als unprofessionellen Brötchenkäufer einschätzen. Dann will er wissen, wie viel Sie im Monat verdienen, welche sonstigen Einkünfte Sie haben, was Ihre monatlichen Ausgaben und Verpflichtungen sind, um abschätzen zu können, ob er Ihnen den Kauf eines Brötchens überhaupt empfehlen darf. Und wenn Sie sich weigern, diese Angaben zu machen, darf Ihnen der Bäcker keine Brötchen empfehlen. Haben Sie die nötigen Angaben geliefert, muss der Bäcker erläutern, aus welchen Zutaten das Brot besteht und in welchen Verhältnissen es gemischt wurde. Er wird zudem auf die steuerlichen Auswirkungen eines Brotkaufes eingehen. Der Bäcker wird sich Zeit nehmen, Ihnen mögliche Risiken zu erläutern, die nach dem Brotkauf entstehen könnten und Sie gezielt fragen, ob Sie alle Erläuterungen verstanden haben. Dann übergibt Ihnen der Bäcker eine 90-seitige Broschüre Basiswissen über Brot. Sie bestätigen mit Ihrer Unterschrift, die Broschüre erhalten zu haben. Zusätzlich erklärt der Bäcker, welche Einkaufspreise er für die Zutaten zahlt und wie viel er an jedem Brot verdient und dass der Rabatt, welcher ihm sein Mehl-Grossist eingeräumt hat, bereits eingepreist ist. Dann weist er Sie noch darauf hin, dass das von Ihnen gewünschte Brot zurzeit in Triesenberg um 5 Rappen günstiger zu haben sei. Er dokumentiert bei sich akribisch dieses Gespräch, lässt Sie das Protokoll unterschreiben und packt Ihnen das Brot schlussendlich ein.“ (Volksblatt.li, Leserbrief Martin Wachter, 17.01.201810)

Stellen Sie sich nun einmal vor, Sie müssten diese Angaben bei Ihren täglichen Einkäufen mit einbeziehen und beantworten. Ein vorher zehnminütiger Einkauf würde exorbitant verlängert werden. Am Beispiel eines Shampookaufs illustriert:

Sie sind sich nicht sicher, welche Art von Shampoo es sein soll. Darf es eher ein Anti-Schuppen Shampoo oder ein volumenförderndes Shampoo sein? Der Einzelhändler muss, bevor er Ihnen eine Empfehlung aussprechen darf, erst einmal persönliche Informationen über Sie einholen. Welche monatlichen Einnahmen stehen Ihren monatlichen Ausgaben gegenüber? Welchen Beruf üben Sie aus? Verfügen Sie bereits über Erfahrungen mit einem ähnlichen Produkt? Nachdem Sie diese Fragen über sich ergehen ließen, darf der Verkäufer Ihnen eine Empfehlung für Produkt A oder Produkt B aussprechen. Sie haben sich also entschieden: Es soll das Anti-Schuppen Shampoo sein. Sie gehen zur Kasse. Doch statt eines direkten Abkassierens des Produkts ist der Kassierer verpflichtet, Sie mit einer Erläuterung aufzuhalten, aus welchen Bestandteilen das Shampoo besteht. Nach dieser Ausführung erhalten Sie eine umfangreiche Informationsbroschüre, in welcher noch einmal die Details des Produkts erläutert werden. Trotz dieser Angaben dürfen Sie das Produkt allerdings noch nicht erwerben. Zunächst müssen Sie den Erhalt der Broschüre und die Einhaltung der Informationsverpflichtungen durch Ihre Unterschrift bestätigen.

Fazit

Nachdem an diesen Beispielen hoffentlich deutlich geworden ist, welcher zusätzliche Aufwand für den Vertreiber und Erwerber anfallen, muss die Frage erlaubt sein: Inwiefern findet hier nicht eine eindeutige Überregulierung statt und inwiefern ist die Regulatorik noch einmal auf Praktikabilität zu prüfen? Um dem Anleger mehr Transparenz und Sicherheit zu ermöglichen, wurden bankfachliche Prozesse um jeden Preis angepasst. Den Preis zahlt der Verbraucher, der kein Interesse an einer Überregulierung hat sowie die Banken, die für die regulatorischen Umsetzungen immens hohe Budgets zur Verfügung stellen müssen. Unter dem Strich ist dies nur durch eine Umlage auf den Endverbraucher finanzierbar, der – wenn er denn könnte bzw. in die Entscheidungsprozesse eingebunden gewesen wäre – gewiss einfachere Lösungen gefordert hätte.

Über die Beckmann & Partner CONSULT GmbH

Wer ist Beckmann & Partner CONSULT? Beckmann & Partner CONSULT ist die Beratungsmanufaktur für bankfachliche Themen. Bei uns sind Informatiker mit Bankwissen oder Banker mit Informatikwissen im Einsatz. Direkt vor Ort bei unseren Kunden setzen wir unser Know-how in den Projekten ein.

Was macht uns außerdem aus? Wir haben Vorstellungen und Werte von und im Umgang mit Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten. Wir setzen uns für andere ein. Diese Unternehmensphilosophie steht nicht nur auf einem Blatt Papier – wir leben sie.

Die Menschen machen uns einzigartig: Die beckFamily. Die beckFamily ist der Rahmen der uns umgibt, der Zusammenhalt der uns verbindet. Wir bieten eine Atmosphäre, in der jeder so sein kann, wie er ist: ein echter "Beckmann" eben.

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