Wenn ein Zähler erst einmal aus dem Blickfeld des Netzbetreibers gerät, bleibt dies oftmals unbemerkt. Aufgrund von Baumaßnahmen innerhalb des Versorgungsgebiets kommt es regelmäßig zur Deaktivierung bestehender Anschlüsse oder zur Installation neuer. Auch ein geringfügiger Stromverbrauch im Rahmen des Netzbetriebs ist ein normales Phänomen und weist nicht direkt auf das Fehlen eines Zählers im System hin. Am wahrscheinlichsten fällt der Fehler auf Seite der Verbraucher auf, da keine Abschläge abgebucht oder Jahresrechnungen erstellt werden.
Im Rahmen eines durch den KI-Transfer Hub Schleswig-Holstein geförderten Pilotprojekts mit den Osterholzer Stadtwerken und der Trianel GmbH hat die Firma clarifydata ein innovatives KI-gestütztes Modell konzipiert. Michael Hartke, Geschäftsführer des KI-Spezialisten clarifydata, identifiziert viele Gründe, warum Messpunkte manchmal nicht mehr in den Systemen auffindbar sind: „Fehlende Zähler entstehen durch Migrationen von IT-Systemen, kleinere menschliche Fehler beim Zählertausch oder Irrtümer im täglichen Umgang mit den Zählerdaten. In einzelnen Fällen, insbesondere nach IT-Migrationen, wurden nachträglich sogar bis zu 10 Prozent fehlende Zähler festgestellt.“
Die Software generiert für jede Immobilie innerhalb des Versorgungsgebiets eine detaillierte Vorhersage über die dort wahrscheinlich installierten Messgeräte. Hierzu werden verschiedene Datenquellen wie Anschlussdaten der Stadtwerke, Adressdatenbanken externer Anbieter, Geoinformationsdaten und Satellitenbilder kombiniert, um durch den Einsatz der künstlichen Intelligenz Korrelationen und Muster zu identifizieren. „Manche Zusammenhänge sind offensichtlich und könnten auch manuell überprüft werden. Wenn ein Gebäude zum Beispiel einen Wasseranschluss hat, würde man dort auch einen Stromzähler vermuten“, erläutert Dr. Philipp Stephan, Leiter des Trianel Digital Labs. „Die künstliche Intelligenz hat den Vorteil, dass sie autonom eine Vielzahl solcher und noch komplexerer Zusammenhänge abbilden kann“, so Stephan weiter.
Heide Oberbeck, Leiterin Unternehmensentwicklung & Digitalisierung der Osterholzer Stadtwerke, lobt das Pilotprojekt vor dem Hintergrund der Transformation des Energiesektors: „Mit dem zunehmenden Ausbau der erneuerbaren Energien müssen zukünftig mehr Daten – insbesondere in den Stromverteilnetzen – erhoben werden. Eine belastbare Datenbasis ist entscheidend, um zukünftige Herausforderungen zu meistern. Mit dem Projekt haben wir unsere Datenqualität dem Härtetest unterzogen.“
Mit der KI-Analyse und nach manueller Überprüfung von über einhundert Adressen im Netzgebiet der Osterholzer Stadtwerke sind keine tatsächlich fehlenden Zähler festgestellt worden. Viele durch die Software als „auffällig“ markierte Anschriften sind durch zusätzliche Daten einem passenden Messgerät zugeordnet worden. Zum Beispiel, wenn ein Gebäude von einem Nachbarhaus versorgt wird oder sich in einem Quartier mit eigenem Netz befindet. Einige Adressen sind von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtwerke vor Ort überprüft worden. Dabei sind untypische Anschlüsse, Weiterversorgungen, größere Garagen oder Gartenhäuser als eigenständig versorgte Gebäude ausgeschlossen und weitere Adressdaten korrigiert worden.
Dr. Bernd Hillers, Leiter Netzbetrieb der Osterholzer Stadtwerke, zieht eine positive Bilanz: „Wir hatten gehofft, möglichst wenige fehlende Zähler zu finden, und sind daher sehr zufrieden. Unsere Datenqualität ist sehr hoch, was eine wichtige Voraussetzung für die fortschreitende Digitalisierung unseres Stadtwerks ist.“
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