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Sicherer Job und trotzdem kaum Nachwuchs

Sicherer Job und trotzdem kaum Nachwuchs Posted on 21. Juli 2022

Viele Unternehmen aus dem Bereich Handwerk & Dienstleistungen beteiligen sich an der Berufswahlaktion wissen was geht! der Wirtschaftsförderung Bodenseekreis GmbH (WFB), um offene Ausbildungsstellen zu besetzen. Ob auf dem Bau, in der Gastronomie oder beim Metzger um die Ecke, der Mangel an Auszubildenden macht auch Unternehmen im Bodenseekreis deutlich zu schaffen. Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer dreier Unternehmen aus dem Landkreis berichten über Hemmschwellen, Vorurteile und was ihnen persönlich an ihrem Beruf Spaß macht.

Der Fachkräftemangel ist besonders in den vergangenen Wochen in aller Munde. Dabei ist die Thematik nicht neu. Der demografische Wandel ist absehbar. Der Trend hin zum Studium besteht seit langem. Unzureichende Kinderbetreuung erschwert es Müttern seit eh und je in Vollzeit zu arbeiten. Und Unternehmen intensivieren ihr Personalmarketing von Jahr zu Jahr stetig. Doch nun kommt der Fachkräftemangel spürbar beim Verbraucher an und die Gesellschaft stellt sich kollektiv die Frage – was läuft bloß schief auf dem Arbeitsmarkt?

„Wir nehmen seit vielen Jahren an wissen was geht! teil, um Jugendlichen unseren Ausbildungsbetrieb und unsere Arbeit zu zeigen. Bei uns sind die Gruppen recht klein, aber die Jugendlichen, die bei uns reinschauen, haben Interesse an der Baubranche“, so Yvonne Link von der Firma Schütze Bau aus Friedrichshafen. Doch warum interessieren sich nicht weitaus mehr Schülerinnen und Schüler für einen Beruf, in dem die Zukunftsaussichten fantastisch stehen? „Genau sagen kann ich das auch nicht, vielleicht haben viele Eltern und Jugendliche kein realistisches Bild davon, wie auf dem Bau heutzutage gearbeitet wird. Manche Leute denken, dass wir die Männer fürs Grobe sind und Köpfchen bei uns nicht gefragt ist“, spekuliert Link. Dabei hat der Fortschritt auch auf dem Bau seit langem Einzug gehalten. Bauunternehmer arbeiten mit technologischen und digitalen Hilfsmitteln, die nicht weniger komplex sind als Technologie wie sie z.B. in der Fertigung verwendet wird. „Ich erinnere mich, vor zwei oder drei Jahren hatten wir durch wissen was geht! einen Jungen bei uns sitzen, der gerne Architekt werden wollte. Die Planung, das Hirnen – daran hatte er Spaß. Aber genau das machen wir als Bauunternehmer auch! Wir müssen vor Ort alles so zusammenfügen, dass es passt. Wir kontrollieren die Pläne aller anderen Projektteilnehmer und stellen sicher, dass sich in der Praxis alles umsetzten lässt. Das war dem Jungen überhaupt nicht bewusst, dass man bei uns auch Köpfchen braucht. Er dachte, wir sind die Malocher, die machen was da steht“, erinnert sich Yvonne Link. In der Tat ist z. B. der Beruf des Maurers die praktische Umsetzung von Technik, Physik, Chemie und Mathematik. Somit umfasst das Berufsbild fast alle naturwissenschaftlichen Bereiche und erfordert theoretisches wie auch praktisches Wissen.

Fernab vom Bau, im Touristen-Hot-Spot Fischbach, steht Uwe Felix, Geschäftsführer des Hotels Traube am See, vor einem ähnlichen Paradox. „Tourismus und Gastronomie wird es am Bodensee immer geben. Natürlich haben wir eine Hauptsaison, aber durch die ansässigen Industrieunternehmen, Geschäftsreisende, Einheimischen und eine hotelinterne Ausrichtung auf Ganzjahres-Tourismus gibt es bei uns immer was zu tun. Die Karrierechancen in der Hotellerie, national aber vor allem auch international, sind mit einer klassischen deutschen Ausbildung überragend“ erklärt Felix. Das Hotel Traube am See nimmt in diesem Jahr erstmals bei wissen was geht! teil, um Auszubildende zu finden. „Anderen eine schöne Zeit zu bereiten, Veranstaltungen durchführen, Menschen aus allen Ecken der Welt kennenlernen – das macht einfach Spaß, das ist unsere Branche! Viele Jugendliche denken leider, dass eine gute Karriere nur geht, wenn man an der Maschine steht oder vor dem PC sitzt. Zum einen stimmt das nicht. Zum anderen ist es einfach nur schade für die Jugendlichen, die eigentlich perfekt bei uns in der Hotellerie aufgehoben wären und am Ende einem Beruf nachgehen, der ihnen nicht wirklich liegt“, findet Felix. Handel und Gastronomie sowie das Handwerk kämpfen seit Jahren mit einem Rückgang von Ausbildungsverträgen. Dabei dürfte es sich um ein Multifaktorales Problem handeln – geprägt von Ansprüchen einer neuen Generation und einem gesellschaftlichen Wandel, der besagt, dass man ohne abgeschlossenes Studium nichts ist. Woran genau dies nun liegt, kann auch Uwe Felix nicht sagen, denn die Hotellerie und Gastronomie beweist das Gegenteil. Aufstiegschancen sind riesig und auch die Verdienstmöglichkeiten haben in den letzten Jahren zugenommen bei immer geregelteren Arbeitszeiten.

Ebenfalls zu ersten Mal nimmt die Metzgerei Forster aus Tettnang an wissen was geht! teil. „Wir möchten Jugendlichen gern die Plattform bieten, unser schönes Handwerk kennen zu lernen“, sagt Susanne Kiechle, die den Betrieb gemeinsam mit Johannes und Birgit Forster führt. Der Handel, im speziellen der Lebensmittelhandel und insbesondere Metzger und Bäcker, leiden massiv am vorherrschenden Azubi-Mangel. „Deshalb freut es uns umso mehr, dass gerade drei Azubis von uns ihre Gesellenprüfung als Metzger erfolgreich abgelegt haben. Zwei davon bleiben bei uns im Betrieb und einer macht mit der Fachhochschulreife weiter. Zwei weitere Lehrlinge sind im 1. und 2. Ausbildungsjahr. Das zeigt, dass wir ein gutes Betriebsklima mit gemischter Altersstruktur haben“, so Kiechle. „Wir sind eine super Truppe, bei uns geht es familiär zu. Von der Zerlegung über die Wurstproduktion, den Verkauf bis hin zum Partyservice ist unser Angebot vielseitig. Da wird es nicht langweilig. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen ihre Talente, Können und Ideen einbringen“, beschreibt Johannes Forster seinen Betrieb. „Wenn ich es richtig verstehe, wollen Jugendliche sich heute selbst verwirklichen und etwas Sinnvolles schaffen. Wir stellen hochqualitative und wertvolle Produkte von Hand her. Unsere Lieferanten sind regionale, überschaubar große Landwirte – was natürlich hinsichtlich Tierwohl und CO2-Foodprint super ist. Die Jugendlichen und wir, als Betrieb mit einer über 100-jährigen Geschichte in Tettnang, teilen die gleichen Werte, nämlich respektvoll und wertschätzend den Rohstoff Fleisch zu verarbeiten“ so Forster weiter.

Die Berufswahlaktion wissen was geht! wird von der Wirtschaftsförderung Bodenseekreis GmbH (WFB) organisiert und findet jährlich in den Sommerferien statt. Zahlreiche Ausbildungsbetriebe im Bodenseekreis geben Jugendlichen vom 28. Juli bis 9. September 2022 während Halbtagsveranstaltungen einen Einblick in ihr Unternehmen und stellten attraktive Ausbildungsberufe vor. Beteiligte Institutionen sowie die WFB bieten darüber hinaus Berufsorientierungsangebote an. Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren und aller Schularten können sich ab sofort online unter wissen-was-geht.de kostenfrei für Termine anmelden. Für weiterführende Informationen zu wissen was geht! und bei Fragen steht Frau Ina Ritter (+49 7541 38588-50; ritter@wf-bodenseekreis.de) gerne zur Verfügung.

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