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Existenzgründung: Nachtdienst oder Dienstleister?

Existenzgründung: Nachtdienst oder Dienstleister? Posted on 17. Juli 2017

Der Start in die Selbstständigkeit ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Nicht nur ärztliches Wissen, sondern auch unternehmerische Fähigkeiten sind notwendig, um eine Praxis aufzubauen und zu führen – und diese werden im Studium nicht vermittelt.

Die Tätigkeit als niedergelassener Arzt hat Vor- und Nachteile gegenüber der Anstellung im Krankenhaus. Einerseits entfällt das enge Korsett aus Dienstplan und Hierarchie. Auf der anderen Seite gibt es auch keine Unterstützung durch einen Verwaltungsapparat. Ab dem Start in die Selbstständigkeit gilt es, sich vielen verschiedenen unternehmerischen und administrativen Aufgaben zu widmen.

Veränderte Voraussetzungen
Die Gesundheitsbranche hat sich in den vergangenen Jahren strukturell stark gewandelt. Verschärfte politische und rechtliche Vorgaben engen die ärztliche Tätigkeit ein. Außerdem wird die niedergelassene Ärzteschaft in naher Zukunft einen umfassenden Generationswechsel erleben. Für die nachkommende Ärztegeneration ist eine möglichst flexible Arbeitswelt wichtig, die auch privaten Bedürfnissen wie der Vereinbarkeit von Job und Familie Rechnung trägt. Gleichzeitig sind jedoch die Anforderungen gestiegen.

Eine Arztpraxis ist mittlerweile ein modernes Dienstleistungsunternehmen mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen und Erfordernissen. Der Patient wird zum Kunden, der Arzt zum Dienstleister. Unternehmerisches Denken und strategisches Handeln werden daher für den persönlichen und wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis immer wichtiger. Dazu gehören beispielsweise Knowhow im Praxismarketing zur nachhaltigen Kundenbindung, Kenntnisse im Bereich Finanzplanung oder Wissen über Personal- und Praxisführung.

Nachdenken vor der Niederlassung
Zunächst ist es wichtig, ausreichend Zeit einzuplanen, wenn Sie sich selbstständig machen wollen. Denn seit das Verfahren zur Nachbesetzung von Vertragsarztzulassungen verändert wurde, dauert es deutlich länger als früher, bis die Zulassung da ist. Da müssen Sie schon einmal drei Monate abwarten – aber die Zeit können Sie gut nutzen, um sich mit den Anforderungen auseinanderzusetzen, die schon vor dem Start auf Sie zukommen.

Dazu gehören nicht nur rechtliche, steuerliche und betriebswirtschaftliche Aspekte. Auch eigene, ganz persönliche Qualifikationen sollten Sie hinterfragen und mit Vertrauten besprechen, bevor Sie sich ins Abenteuer Selbstständigkeit stürzen:
• Bin ich belastbar und kann ich Stress gut bewältigen?
• Kann ich mit Veränderungen und neuen Aufgaben umgehen?
• Kann ich Chancen erkennen und für mich nutzen?
• Habe ich ein gutes Zeitmanagement?
• Kann ich delegieren und bin ich durchsetzungsfähig?
• Bin ich kontaktfreudig und kommuniziere ich gern?
• Habe ich ein gutes Gespür für Trends im Gesundheitswesen?

1 Die erste Frage, die Sie sich auf dem Weg zum niedergelassenen Arzt beantworten müssen, ist: Will ich Unternehmer sein? „Ungeachtet aller Erhebungen ist nach unserer Erfahrung die Niederlassung wirtschaftlich attraktiver als die Tätigkeit im Krankenhaus. Außerdem sind Sie Ihr eigener Chef und können Ihre ärztliche Tätigkeit nach Ihren eigenen Vorstellungen umsetzen“, erklärt Martin Fries, Steuerberater bei Ecovis in Aschaffenburg.

Niedergelassene Ärzte können ihren beruflichen Erfolg selbstbestimmt gestalten. Voraussetzung ist allerdings immer die Bereitschaft, sich mit den rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Grundlagen zu befassen und die Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen. „Suchen Sie sich einen verlässlichen Ratgeber, der Sie bei Ihren Entscheidungen unterstützt“, empfiehlt Fries.

Ein zentrales Thema, das von Anfang an besondere Aufmerksamkeit erfordert, ist die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit. Aufgrund der beschränkt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel im Gesundheitssystem wird das Honorar, das Ärzte aller Fachrichtungen von den Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten, dauerhaft budgetiert bleiben. Umso wichtiger ist es, die Ausgabenseite der Praxis im Blick zu behalten, denn „Gewinn bedeutet Einnahmen minus Ausgaben“, sagt Ecovis-Experte Fries und spielt damit auf das „Grundgesetz“ unternehmerischen Denkens an.

2 Die zweite Frage, die Sie sich stellen müssen, lautet: Kann und will ich das allein? Es ist zweckmäßig, frühzeitig die Entscheidung zu treffen, ob Sie im Rahmen einer Einzelpraxis oder einer ärztlichen Kooperation und mit oder ohne angestellte Ärzte arbeiten wollen. Häufig ist es sinnvoll, die Verwaltungsaufgaben und die Verantwortung auf mehrere Partner aufzuteilen. Das medizinische Spektrum einer Praxis kann hiervon ebenfalls profitieren. Es muss nur allen Beteiligten klar sein, wie die Aufgaben und letztlich auch der Gewinn aufzuteilen sind. Von der Einzelpraxis über die örtliche Gemeinschaftspraxis und die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft hin zum bundesweiten Verbund medizinischer Versorgungszentren (MVZ) sind zahlreiche Varianten ärztlicher Kooperationen möglich. „Rechtlich und steuerlich haben die verschiedenen Alternativen jeweils Vor- und Nachteile“, sagt Daniela Sterzing, Steuerberaterin bei Ecovis in Ilmenau.

3 Ein weiteres Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis ist deren Lage. Die dritte Frage, die Sie sich stellen sollten, ist also: Welcher Standort eignet sich für meine Praxis? Natürlich ist hier die Entscheidung Land, Ballungsraum oder Stadt zuallererst zu treffen. „Unserer Erfahrung nach ist die Landarztpraxis in vielen Fachrichtungen mindestens so profitabel wie eine Praxis in der Stadt. Der geringere Konkurrenzdruck und die niedrigere Krankenhausdichte führen hier selbst ohne Anschubfinanzierung oder andere regulatorische Maßnahmen zu höherem Gewinn“, erklärt Sterzing. Aber auch die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Parkmöglichkeiten, die Entfernung zu sozialen Brennpunkten oder das Potenzial an privat versicherten Patienten sind Faktoren, die bei der Standortwahl einzubeziehen sind.

Bei der Entscheidung für Ihren Praxisstandort sollten Sie insbesondere bedenken, dass ein Wechsel des Vertragsarztsitzes nicht ohne Weiteres möglich ist. Eine Sitzverlegung ist immer vom zuständigen Zulassungsausschuss bei der örtlichen Kassenärztlichen Vereinigung zu genehmigen. Auch Mietverträge, die über eine lange Laufzeit geschlossen werden, können einem Standortwechsel im Wege stehen. Das sollten Sie bei den Verhandlungen mit einem Vermieter auf jeden Fall berücksichtigen.

Martin Fries, Steuerberater bei Ecovis in Aschaffenburg
Daniela Sterzing, Steuerberaterin bei Ecovis in Ilmenau

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